Holt euch endlich die ökologische Frage zurück!

Angesichts konstant hoher grüner Umfragewerte sowie des anhaltenden Zulaufs junger Menschen zu den Fridays-for-Future-Demos geraten viele konservative oder rechte Kommentatoren in enthemmte Rage: Man verspottet die jugendlichen Demonstrationsteilnehmer nach Kräften, macht sich lustig über den Klima-Hype, ereifert sich in unappetitlicher Weise über Greta Thunbergs und schwingt im Streit um die Waldzerstörung zugunsten eines ausufernden Braunkohleabbaus den rhetorischen Gummiknüppel gegen die Widerständler. Vorzugweise stellt man sich also lieber an die Seite eines ganze Landschaften verheerenden Großkonzerns. Zeit für eine Grundsatzkritik.

Wie die Ökologie von links gekapert wurde

Gewiss sind es heute vor allem Linke, die sich ökologische Themen auf die Fahnen schreiben. Doch das heißt nicht, dass es auch genuin linke Themen sind. Im Gegenteil. Betrachtet man die Geschichte der Grünen in Deutschland, wird deutlich, dass die deutsche Ökologiebewegung in ihren Ursprüngen deutlich konservative Züge trug – konservativ im Sinne des Bewahrens der Natur, sei diese nun als göttliche Schöpfung gegeben oder einfach nur der in Jahrmillionen gewachsene Bestand, den es zu erhalten gilt.

Ökologisches Denken war in den Anfängen – wie beispielsweise in der Anthroposophie Rudolf Steiners – immer sehr konkret und in praktischem Handeln verwurzelt, vor allem in der Landwirtschaft. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als ökologisches Gedankengut zunehmend zum Thema in der medialen Öffentlichkeit wurde, entdeckten bis dahin notorisch erfolglose kommunistische Splittergruppen die Ökologie als Vehikel für ihre eigenen Themen. Man gab sich fortan ökologisch grün, blieb im Kern aber rot. Darin jedoch liegt immer eine gewisse Widersprüchlichkeit, weil ökologisches Denken die Natur gegen eine rapide wachsende Anspruchshaltung des Menschen (immer mehr möglichst hochwertige Güter sollen an mehr Menschen sozial gerecht verteilt werden) verteidigen muss.

Die Protestkultur gegen den Klimawandel, gefestigt in linker Hand.

Diese Widersprüchlichkeit bemerkt man bei den ergrünten Linken natürlich nicht. Doch auch das konservative Lager bemerkt den Betrug nicht und lässt sich auf die Scheinverbindung zwischen Klimatschutz und Globalisierung, zwischen Natur und Moral ein. Richtig wäre eine andere Schlussfolgerung: sich endlich die Ökologie zurückzuholen und sie aus dem praktischen Leben heraus zu beantworten. Denn sie ist eines der wichtigsten Themen überhaupt.

Verlorenes Terrain zurückerobern: Ökologie und Vernunft

Diese Zurückholung bedeutet nicht, dass man auf nicht-linker Seite alle Themen samt ihren Voraussetzungen und Schlussfolgerungen 1:1 von den Grünen übernimmt. Weil hier vieles zurechtgebogen und den Zielen angepasst wurde (siehe die Erfindung des Klimaflüchtlings und des menschlich verursachten Meeresspiegelanstiegs), müssen sämtliche Themen rational und wissenschaftlich überprüft und von moralischen Verwässerungen und Verfälschungen befreit werden. Eine solche nicht ideologisch deformierte Sachlichkeit und Rationalität war seit jeher ein Kernelement konservativen Denkens: Richtig ist nicht, was einem in den Kram passt. Richtig ist, was den Tatsachen entspricht.

Beispiel Klimawandel: Es ist unsinnig, einen Klimawandel zu bestreiten. Das Klima wandelt sich. Und zwar seit jeher, unaufhörlich und unaufhaltsam. Man darf gewiss auch davon ausgehen, dass das Wirken des Menschen auf diesem Planeten seinen Teil dazu beiträgt. Es wäre nur mit höchster Genauigkeit zu untersuchen, wie groß dieser Anteil denn tatsächlich ist. Doch davon gänzlich unbenommen bleibt die zentrale Frage, wie man denn überhaupt mit den Folgen eines wie auch immer verursachten Klimawandels umgehen kann. Sowohl eines Klimawandels in Richtung Warmzeit als auch eines Klimawandels in Richtung Eiszeit. Darwins Konzept des „Survival of the fittest“ besagt bekanntlich nicht das Überleben der stärkeren Art, sondern das Überleben der besser angepassten Art. Sich um solche Fragen zu kümmern, ist nicht nur legitim, sondern überlebenswichtig. Gerade dann, wenn man davon ausgeht, dass Klima als hochkomplexes und dynamisches System eben nicht geschützt bzw. konserviert werden kann, sondern sich vor allem aufgrund weitgehend unbeeinflussbarer natürlicher Faktoren permanent ändert.

„Nicht die ökologische Fragestellung als solche ist zu beanstanden, sondern deren Verknüpfung mit vermeintlichem moralischen Mehrwert.“

Beispiel Umweltschutz: Umweltschutz ist der urbane Bruder des Naturschutzes. Wo sich Naturschutz um die Erhaltung natürlicher Lebensräume bzw. deren Wiederherstellung bemüht, kümmert sich Umweltschutz vor allem darum, die schädlichen Auswirkungen menschlichen Handelns auf den menschlichen Lebensraum (zu dem freilich auch Teile der Natur gehören, sofern sie etwa der Nahrungsgewinnung dienen wie die Weltmeere) zu begrenzen. Es ist gewiss vernünftig, die Erzeugung und den Verbrauch von Kunststoffen stark zu reduzieren und insbesondere unsinnige und überflüssige Verpackungen zu vermeiden. Ebenso ist nichts Falsches daran, natürliche Ressourcen überhaupt zu schonen – selbst wenn der Vorrat an fossilen Energieträgern nicht relativ begrenzt wäre, wäre es sinnvoll, über Mobilitäts- und Konsumfragen nachzudenken. Sich im Gegenzug zum Verteidiger der Kreuzfahrtindustrie, des Flugtourismus oder PS-starker Individualfahrzeuge aufzuschwingen, nur weil Linke all das auch ablehnen, grenzt an Schwachsinn. Und auch die Erzeugung von Nahrungsmitteln nach ökologischen Kriterien ist nichts, worüber ein rational denkender Mensch sich belustigen sollte. Nicht die ökologische Fragestellung als solche ist zu beanstanden, sondern deren Verknüpfung mit vermeintlichem moralischen Mehrwert.

Geht in die Natur!

So manch einem sich konservativ gebenden Menschen stünde es auch gut zu Gesicht, sich jenseits vom Grillhüttenevent mit Dosenbier einmal auf ein reines Naturerlebnis einzulassen – und im Idealfall auch ein umfassendes Verständnis der belebten wie der unbelebten Natur zu erwerben. Denn das, was wir als Natur bezeichnen, ist nun einmal die Grundlage von allem. Und warum nicht gelegentlich die Wirkung berauschender Pilze oder Pflanzen am eigenen Leibe ausprobieren? Auch das gehört zur Natur – auch der des Menschen. Man belächelt dergleichen stattdessen gern als esoterische Spinnerei – eine weitere Dummheit, die man sich nicht leisten sollte. Was einem Geist vom Range Ernst Jüngers recht war, sollte auch uns nicht unpassend erscheinen.

Ein Prophet und eins mit der Natur: Christian Rätsch, 1999. (Bild: Jörg Auf dem Hövel [CC BY-SA 3.0])
Hinweise zur praktischen Umsetzung und gesundheitlich zuträglichen Dosierung findet man übrigens in der Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen – einem vorzüglichen, aber leider nicht ganz billigen Werk des Ethnobotanikers Christian Rätsch, das in keiner konservativen Bibliothek fehlen sollte. Überhaupt sollte man auf Seiten der Rechten die Angst vor langhaarigen alten Männern endlich ablegen – auch wenn sie nicht als orthodoxe Mönche auf dem heiligen Berg Athos herumlaufen, können sie über wesentliche Einsichten und reichhaltiges Wissen verfügen. Neben dem das Erscheinungsbild eines Althippies pflegenden Christian Rätsch sind auch die Zottel- und Langhaarträger Wolf-Dieter Storl und Hans Peter Duerr uneingeschränkt zur Bewusstseinserweiterung zu empfehlen – Storl ist Kulturanthropologe und Ethnobotaniker, Duerr ist Ethnologe und Kulturhistoriker (nicht zu verwechseln mit dem Physiker Hans-Peter Dürr). Von den genannten Herren lässt sich noch etwas anderes lernen, was Konservativen wie Rechten oft nicht ganz geheuer ist: Phantasie, Offenheit und Mut für Grenzerfahrungen, intellektuelle Unabhängigkeit.

Vorbild sein: Keine Frage der Politik, sondern eine der Kultur

Ökologie ist nicht so sehr die Frage eines Parteiprogramms, denn dort würde sie unweigerlich instrumentalisiert werden – insofern muss man der AfD dankbar sein, dass sie es auf diesem Gebiet gar nicht erst versucht. Ökologie ist vielmehr eine existenzielle Frage in doppelter Bedeutung. Sie ist existenziell, weil es wirklich um unsere Existenz – um unseren Fortbestand als Menschheit – geht. Der Planet Erde würde sich innerhalb weniger Jahrhunderte nach dem Verschwinden des Menschen von dessen Untaten erholt haben. Es geht vielmehr um den Menschen selbst, der auf dem Spiel steht.

Existenziell ist die ökologische Frage aber noch in anderer Hinsicht: Sie wird nicht theoretisch beantwortet, sondern im alltäglichen Vollzug, im Leben selbst. Nirgendwo sonst kommt es so sehr auf das konkrete Handeln an wie hier. Deshalb ist es dringend anzuempfehlen, Vorurteile beiseite zu lassen, wenn man glaubwürdig bleiben will. Aus Trotz zum Energieverschwender, zur Umweltsau oder zum Naturfrevler zu werden wäre grundverkehrt. Im Gegenteil. Hier die Avantgarde zu formen wäre das Ziel – also die Ökologie endlich von dem zu befreien, was ihr in den letzten Jahrzehnten an moralischen Komponenten aufgebürdet wurde und ihr stattdessen die Härte und Unbequemlichkeit wiederzugeben, die ihr Wesen ausmacht. Eine gewisse Bescheidenheit und persönliche Anspruchslosigkeit mit Blick auf die Dinge, mit denen man sich umgibt, wären schon ein guter Anfang.

Über den Zusammenhang zwischen der Umwelt- und Kulturzerstörung hat Lutz Meyer bereits hier geschrieben, über die Entwicklung von einem organischen Natur- zu einem gloaben Klimabegriff hier.

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