„Arbeit am Mythos“: Die 300 aus Georgien

Georgien ist ein von Krisen heimgesuchtes Land. Am Rande Europas gelegen und die Grenze zu Asien bildend, sind die Folgen der letzten Kriege noch spürbar. Als Heimatland Stalins hatte Georgien die Zwangskollektivierung der Sowjetunion zu ertragen und zuletzt sind die Folgen des Kaukasuskrieges aus dem Jahr 2008 noch immer spürbar. Vor allem wirtschaftlich und geopolitisch steht das Land heute noch recht isoliert da.

„Arbeit am Mythos“

Doch trotz der Krisen und der relativen Armut im Land gibt es eine Renaissance der Orthodoxie. Vor allem bei der Nationsbildung Georgiens spielte die Orthodoxie eine große Rolle. Bereits seit dem 3. Jahrhundert gilt Georgien als christliches Land. Diese Tradition ist trotz etwaiger Widerstände nicht abgebrochen, im Gegenteil. Bei jungen Leuten erlebt der orthodoxe Glaube eine Art Wiederbelebung und auch die „Arbeit am Mythos“ (Hans Blumenberg) ist wieder aufgenommen worden.

Im 18. Jahrhundert kämpften 300 Georgier in einer nahezu aussichtslosen Situation gegen die Übermacht Persiens. Es schien lange Zeit so, als könnten die Georgier die Armee der Perser zurückschlagen, doch durch einen internen Verrat fand der Gegner die entscheidende Schwachstelle.

Die letzte Verteidigungsschlacht vor der Hauptstadt erfuhr unter dem Titel „Three Hundred Aragvians“ eine Kanonisierung in der georgischen Kultur. Mit einem Denkmal in Tiflis, der Thematisierung in der Literatur und der Darstellung in einem Kunstwerk erfuhren die 300 ihre angemessene Wertschätzung. Im Jahr 2008 erklärte die Georgische Orthodoxe-Kirche die 300 Krieger zu Märtyrern.

Schlacht von Krtsanisi

Im 18. Jahrhundert war Georgien dabei, seinen geopolitischen Einfluss auf das Osmanische Reich und Persien auszudehnen. Nachdem sie jahrelang unter der Vorherrschaft der Perser litten, waren nun sie auf dem Vormarsch. Georgen schloss dazu ein Bündnispakt mit Russland und stellten ihre Streitkräfte in russischen Dienst. Russland garantierte im Gegenzug dafür territoriale Unabhängigkeit und Hilfe bei militärischen Konflikten.

Das wiedererstarkende Persische Reich sah dieses Bündnis mit Argwohn und fasste es als Affront auf. Russland hatte sein Bündnis jedoch relativ schnell gebrochen und zog seine Truppen ab. Kurzerhand fiel der persische Schah mit rund 35.000 Soldaten in Georgen ein. Das deklarierte Ziel war die Eroberung der Hauptstadt Tiflis. Lange hielten die quantitativ unterlegenden Georgier stand. Die Perser erwogen bereits einen möglichen Rückzug. Doch, ähnlich wie bei der sehr populären Erzählung der 300 Spartiaten, verrieten zwei Überläufer die Schwachstelle der Georgier. Letztlich siegten also die Perser und brandschatzten tagelang in der Hauptstadt.

Die Darstellung der 300 stammt von dem georgischen Künstlers Merab Abramishvili (1957-2006). Jener überzeugt in seinen Kunstwerken vor allem durch die Synthese von mittelalterlicher Darstellungsweise und Expressionismus.

Merab Abramishvili, Three Hundred Aragvians. Von პაატა შ [CC BY-SA 4.0 ], from Wikimedia Commons

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